“Zweimal Marie” von Nina Petrick

Inhalt

So leben Anne und Marie
Es ist September 1989. Anne Bergmann wohnt mit ihrer Mama Annemarie, einer Journalistin, im Hamburger Stadtteil Eppendorf. Genauer gesagt leben sie in einer Wohngemeinschaft mit dem Fotografen Andreas, der Übersetzerin Toni und deren kleiner Tochter Evi. Einen Vater hat Anne nicht. Laut ihrer Mama ist er kurz, nachdem sie auf die Welt gekommen ist, gestorben. 
Marie Roemer wohnt mit ihrem Vater Johannes, einem bekannten Schauspieler, in Ostberlin im Prenzlauer Berg in einer geräumigen Dreizimmerwohnung. Eine Mama hat Marie nicht. Die ist kurz nach ihrer Geburt gestorben, sagt ihr Vater. 
Anne und Marie sind eineiige Zwillingsschwestern und wissen nichts voneinander bis sie sich auf Klassenfahrt in einer Jugendherberge im ungarischen Tihany am Plattensee zum ersten Mal gegenüberstehen.

Anne ist sauer auf ihre Mutter
Am Abend vor der Abfahrt nach Tihany erfährt Anne, dass ihre Mutter erst 1980 mit ihr über Bulgarien und Griechenland nach Hamburg in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet ist. Grund dafür war ihr Berufsverbot als Journalistin. Anne ist sauer, da ihre Mutter ihr so lange die Wahrheit über die Flucht verschwiegen hat. 

Die Reise mit dem Bus nach Ungarn geht los
Anne und ihre beste Freundin Julia sitzen hinter ihren Lehrern Frau Brandt und Herrn Kleinmann. Die beiden Unterhalten sich über die vielen Menschen, die aus der DDR über die inzwischen offene Grenze zwischen Ungarn und Österreich in den Westen fliehen. Frau Brandt vermutet, dass da in diesem Jahr mit Sicherheit noch etwas passiert.  
Als sie nach der sehr langen Busreise in der Jugendherberge ankommen, stellt sich schnell heraus, dass neben ihrer Klasse 4a eine weitere Klasse in der Jugendherberge untergekommen ist. Diese vierte Klasse ist aus der DDR nach Tihany angereist. 

Die erste Begegnung von Anne und Marie
Und dort in der Halle passiert es: Anne und Marie stehen sich das erste Mal gegenüber. Ihre Ähnlichkeit ist verblüffend, einzig Annes Haare sind länger als die von Marie. Schnell wollen sich die Mädchen wiedersehen und miteinander sprechen. Es gelingt ihnen jedoch kaum, viel Zeit miteinander zu verbringen, da die beiden Klassen ihre Zeit meist getrennt voneinander verbringen. Vor allem Marie als Jungpionieren hat mit ihrer Klasse ein straffes Programm.
Den Mädchen ist längst klar, dass sie Zwillingsschwester sein müssen. Sie haben nicht nur die gleiche Augenfarbe, die gleichen lockigen blonden Haare, die gleiche Nase und den gleichen dunklen Leberfleck rechts neben dem Mund. Sie sind sogar am selben Tag in Ostberlin geboren. 

Anne und Marie schmieden einen Plan
Gegenseitig erzählen sich die Mädchen von ihrem Zuhause. Dabei erfährt Anne schnell, dass ihr Vater noch lebt und auch Marie erfährt, dass ihre Mutter noch lebt. Schnell schmieden die Mädchen einen Plan. Sie wollen einen Mädchentausch machen, damit beide ihre bisher unbekannten Elternteile kennenlernen können. Damit ihr Plan nicht auffliegt, müssen sich die Mädchen über jedes noch so kleine Detail ihres Lebens austauschen. Um nichts zu vergessen, schreiben sie alles genau auf. Sie malen sich sogar gegenseitig den Schulweg auf. Anne schreibt sich auch die Texte der Thälmann-Lieder und die zehn Losungen der Jungpioniere auf, die sie unbedingt auswendig können muss. Dabei fällt beiden immer wieder auf, wie sehr sich Unterricht, Schule, Freizeit und sogar Wörter unterscheiden. Beim Friseur lässt sie sich sogar ihre langen blondgelockten Haare auf die gleiche Länge schneiden, wie Marie sie trägt. Als Zeichen für das Schweigen über ihr Geheimnis suchen Anne und Marie zwei Kieselsteine, die sich genauso ähnlich sehen wie Anne und Marie. 

Die Lehrer beobachten, wie viel Zeit die Mädchen miteinander verbringen und kommen zu dem Schluss, sich nicht in die Angelegenheit einmischen zu wollen. Nur Annes Lehrerin Frau Brandt ist nicht ganz wohl bei der Sache. Sie nimmt sich vor, mit ihrer Schülerin über die Begegnung der Mädchen zu sprechen. 
Die beiden Hamburger Lehrer tauschen sich über die Friedensdemonstrationen in Leipzig aus. Sie würden gerne mit ihren Ostberliner-Kollegen darüber sprechen, vermuten aber, dass sie das aus Angst vor der Stasi nicht tun würden. 

Der Plan wird Wirklichkeit
Am Tag der Abreise wird der Plan der Zwillingsschwestern Wirklichkeit. Anne Bergmann fährt als Marie Roemer nach Ostberlin zu ihrem Vater und umgekehrt fährt Marie Roemer als Anne Bergmann nach Hamburg zu ihrer Mutter.
Maries Mutter fällt der Mädchentausch bei der Begrüßung nicht auf. Einzig misstrauisch ist Evi. In dem Moment als Marie die Wohnung in Hamburg-Eppendorf betritt, merkt Evi, dass das unmöglich ihre Anne sein kann. Aber die Erwachsenen meinen, dass das an der neuen Frisur läge.
Als Marie ihr Zimmer erkundet, fällt ihr sofort ein Teddy ins Auge, der genauso aussieht wie ihr Teddy Heinrich. Sie gewöhnt sich schnell in Hamburg ein und genießt die Zeit. Die Eifersüchteleien von Julia sind vorbei und in der Schule macht ihr einzig die Theater-AG, in der sie die Hauptrolle spielen soll, Sorgen. 
Auch Anne genießt die Zeit bei ihrem Vater, auch wenn es erstmal schwer ist, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. In Ostberlin ist alles so grau. Anne darf ihren Vater ins Theater begleiten und an die Aufgaben als Jungpionierin gewöhnt sie sich schnell. 

Der Plan fliegt auf
Bisher haben Anne und Marie ihren Rollentausch gut gemeistert, auch wenn es manchmal ziemlich brenzlig wurde. So hat Marie den Auftrag von Andreas bekommen, nach der Schule im Supermarkt Pesto und Pasta zu kaufen. Marie kann mit den Begriffen nichts anfangen und findet vor lauter Verzweiflung die Produkte nicht als Julia um die Ecke kommt. Marie kann ihr Geheimnis nicht länger für sich behalten und erzählt Julia die Wahrheit. Und dann ist da auch noch der Brief der Lehrerin Frau Brandt an ihre Mutter, den sich versuchen muss abzufangen, bevor ihre Mutter ihn liest. Vergeblich. Das Geheimnis von Anne und Marie wird aufgedeckt und über Nacht fällt dann auch noch die Mauer. Gleich am nächsten Morgen machen sich Marie und ihre Mama auf den Weg nach Ostberlin zu Anna und ihrem Vater. 

Kritik

Die Autorin Nina Petrick schreibt diese kurzweilige Familiengeschichte im Wechsel aus der Perspektive von Anne und Marie in 17 Kapiteln. Dabei gibt sie dir die Möglichkeit, in die Gedanken und Gefühle der Mädchen einzutauchen. Verstärkt wird dieses Gefühl der Nähe durch die Zeitform Präsens, in der die Geschichte geschrieben ist. Nina Petrick gelingt es, eine Atmosphäre des Umbruchs zu erzeugen, die die Zeit des Mauerfalls mit sich bringt. Dabei überfüllt die Autorin das Buch nicht mit politischen Hintergrundinformationen. Es ist vielmehr so, dass sich die Lehrer im Laufe der Klassenfahrt über die politischen Ereignisse im Jahr 1989 austauschen. Sie sprechen über die vielen DDR-Bürger, die über die offene Grenze zwischen Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland fliehen. Des Weiteren thematisieren sie die Friedensgebete und Demonstrationen in Leipzig und die Rolle der Stasi. Sie machen sich Gedanken über die Beweggründe der Demonstranten und der Republikflüchtlinge. Sie würden gerne die Meinung ihrer Ostberliner-Kollegen hören, vermuten aber, dass sich diese aus Angst vor Bespitzelung nicht dazu äußern würden.  
Dir wird somit ein Einblick in die Zeit vor der Wende gewährt. 

Bei den Lehrerfiguren bedient sich Nina Petrick der Stereotypen. So wird u.a. die Lehrerin Frau Ratloh aus dem Osten als eine gläubige Staatsbürgerin mit Überzeugungen dargestellt, die an der Ideologie der DDR festhält und der Partei hörig ist. (S.124) Anders ist es bei Frau Gundler. Obwohl sie DDR-Bürgerin ist, sieht sie die Ideologie kritisch und hat Verständnis für die Menschen, die sich etwas Neues aufbauen wollen. 
Der Vater der beiden Mädchen wird als politisch unkritischer DDR-Bürger dargestellt, der keinen Anlass sieht, die DDR zu verlassen, da er als bekannter Schauspieler Privilegien genießt und es ihm und seiner Tochter gut geht. 
Die Mutter hingegen konnte und wollte wegen ihres Berufsverbotes nicht mehr in der DDR leben und beschließt nur aus diesem Grund, ihren Mann und Marie zu verlassen, um mit Anne die Flucht in den Westen zu wagen. 

Durch die unterschiedlichen Lebenswelten der Mädchen erfährst du viel über die Unterschiede einer Kindheit in Ost und West. Dies gelingt der Autorin durch den Rollentausch der Zwillinge und die immer wiederkehrenden Komplikationen, die die Mädchen während des Rollentausches überwinden müssen. 
Geschickt löst die Autorin die Bedenken der Mädchen, die wirklich ganz viele Details bedacht haben, aber nicht wissen, wie sie ihren Rollentausch beenden könnten. Die Lösung ist an den Fall der Mauer gekoppelt, denn nun können Marie und ihre Mutter nach Ostberlin zu Anne und dem Vater fahren. 

Besondere Begriffe, die Anne, ihre Klassenkameraden und vermutlich auch du nicht kennen, werden in der Geschichte verständlich erklärt. Zusätzlich gibt es für dich ein Glossar am Ende des Buches, in dem dir die Begriffe genauer erklärt werden.
Einige Szenen aus dem Buch werden von Ute Krause zeichnerisch dargestellt. 

Fazit

Wenn du etwas über das Leben in dem Land, das nicht mehr existiert, erfahren möchtest, kann ich dir dieses Buch empfehlen. Die Geschichte ist spannend, weil die beiden Mädchen ein Familiengeheimnis aufdecken. Sie tauschen mutig ihre Rollen und setzen alles daran, das besonders gut zu machen, damit der Rollentausch nicht auffliegt. Es gibt immer wieder Momente, in denen das passieren könnte. Spannend und interessant ist es auch zu erfahren, was Anne alles lernen muss, um als Schülerin in der DDR alles richtig zu machen. Außerdem kannst du erfahren, dass friedliche Demonstrationen letztendlich dazu geführt haben, dass die Mauer, die Deutschland in Ost und West teilte, gefallen ist. 

Eilika H. Doering

Daten zum Buch: 
Autorin: Nina Petrick 
Illustrationen: Ute Krause 
Verlag: Tulipan 
Erscheinungsjahr: 2009
Altersempfehlung: 10 bis 12 Jahre
ISBN: 978-3-939944-34


“Fritzi war dabei. Eine Wendewundergschichte” von Hanna Schott

Liebe Leseratten,
wenn ihr euch mit Fritzi auf eine Reise in das Land, das nicht mehr existiert, begeben möchtet, dann hört euch diesen Podcast an.

Podcast: Lernen über ein Land, das nicht mehr existiert

Daten zum Buch: 
Autorin: Hanna Schott
Illustrationen: Gerda Raidt 
Verlag: Klett Kinderbuch
Erscheinungsjahr: 5. Auflage 2019
Altersempfehlung: 9 bis 12 Jahre 
ISBN: 978-3-95470-015-8

Eilika H. Doering


“Mauerpost” von Maike Dugaro und Anne-Ev Ustorf

Liebe Leseratten,

wenn Ihr mehr über eine heimliche Brieffreundschaft zwischen zwei Mädchen erfahren wollt, die nur wenige Kilometer auseinander wohnen und doch durch eine große Mauer getrennt sind, dann klickt hier.

Daten zum Buch:

Autorinnen: Maike Dugaro und Anne- Ev Urstorf Verlag: cbj Kinder- und Jugendbuchverlag Erscheinungsjahr: 3. Auflag 2019 ISBN: 978-3-570-31253-7